Huch, Moni war schneller. Der Pathologe, der im richtigen Leben Gefängnisarzt ist, spricht tatsächlich nicht ganz wahr. "Penicillin, gut zudecken und nach zwei Wochen wieder in die Schule", ist fast richtig. Entweder langes Siechtum mit Quarantäne (-> danach vielleicht immun) oder - wie heute üblich - sofort Grüncef oder anderes Antibiotikum und nach 48 Stunden ist alles vorbei. Und wenn man's mit Grüncef und Konsorten macht, kann das Kind es immer wieder bekommen. Ich hatte es noch nie, meine Kinder zusammen aber schon zwölf bis vierzehn mal. Gefühlt. Als ich klein war und Ballauf und Schenk also auch klein waren, machte man es noch ohne Penicillin.
Schade, dass die T und ich den Fall so schnell gelöst hatten, hatten wir doch um 20 Uhr 18 ("Ich kenn die Stimme, Moment, nicht sagen - " --- "Meret Becker?" --- "Nä, nichso Berlin, sone andere" --- und jetzt zusammen: "AH, NICOLETTE KREBITZ") die Stimme unter der Strumpfmaske erkannt.
Die Strumpfmaskenstimme und ihr Freund überfallen vor einem kölner Hotel einen Mann, der in seinem Auto noch das FC-Spiel zuende hören will. Freund mit Messer, Mann leider Pistole, schießt Freund ins Bein, wird dann selber erschossen, Strumpfmaskenmaus fährt mit Motorrad und Koffer weg und lässt den mit dem Bein liegen. Wer die beiden sind, erzählt noch vor 20.20 Uhr die Süße vom Hotel. Nachdem sie sich übergeben hat. Sie ist unhübsch aber nicht hässlich, also irgendwie mein Typ. Die hatte die beiden in deren abgehalfterter Urlaubsinselbar kennen gelernt und zuviel über den Stammgast mit den Brillantentransporten geplaudert. Marie und Wolf. Marie hat Schwester in Köln, Sophie, gerade zugezogen aus Amerika. Cellistin. Der Pathologe Joe Bausch macht heut mal einen auf
dicke Hose Lebemann, Casino und so, aber nur, damit Wolf, der ihn zwecks Kugelausdembeinpuhlenlassen mal kurz entführt, fürderhin im feinen Zwirn durch die Szenerie humpeln kann auf der Suche nach Aspirin. Vorhersehbarer Kalauer über die Notwendigkeit von Schmerzmitteln in der Pathologie.
Da war übrigens dieses Mal ein Fotograf am Bild tätig. Steht einer im linken Fenster, einer im rechten Fenster, viel Weitwinkel, viel Symmetrie, viel rechte Winkel. Lauter Bilder nach
Mante.
(Ich verzettel mich gerade etwas, das liegt an dem Druck, vielleicht gibt es ja einen Leser, der jetzt schon auf die sonntägliche Tatortschmähung wartet. Ich hab sogar Notizen gemacht, die I wollte dauernd wissen, was ich da schreibe, eine Rezension vielleicht oder Notizen für den großen Schlüsselroman, in dem sie alle nur wenig kaschiert vorkommen. Hej, google mal Croissant, Scharlach und Puccini.)
Dass die Schwester eigentlich ihre eigene Schwester ist und Nessundorma von Puccini ("Hat sie Rossini gesagt?" --- "Sie hat Rossini gesagt!"), wussten wir ja eh, dass die T und die L in der Basslage mitsangen und unser Subbass M sich mit "Vincere! Vincerääää!" nach Pavarotti schwang, tröstete nur kurzzeitig über die folgenden 85 Minuten hinweg. Mariesophie wurde von "die ist doch süüß" ausgehend immer unerträglicher, also die Rolle, schutzbedürftiges-Kindchen-Sprech. Der aus Boston angereiste italienische Liebhaber, unablässlich Arien schmetternd, sprach im Unterton ein unverfälschtes Kölsch, im Gegensatz zu Ballaufs Zimmerwirtin, die frisch aus dem Kölsch-für-Immis-Kurs kam. Wird sowas an der Schauspielschule angeboten?
Die Oma mit dem überfahrenen Cockerspaniel geht in Ordnung. Bisschen Spaß muss sein.
Pizza, Plätzchen von der S. ihrer Mutter, ein Kilo Weintrauben, Tschüpse und Goldfischli auf dem Tisch zwischen uns.
"Isch abe gar keine Schwästär" - das war schon zu viel. Tonleitern in der Pension, Zimmer neben Ballauf natürlich. Weißer Rollkragen, Menjoubärtchen, Autsch. Um zehn nach neun Konzert im Polizeirevier, der Scheff findet's doof, genau wie wir, sollen die Jungs lieber erstmal den Fall lösen.
Dann der dicke Wiener, wie hieß der noch, Peter, Peter, Peter (na, wer weiß es?) Kern. Als Hehler ("Guck mal im Telefonbuch unter H.").
Die L. wusste als Erste, wo die Diamanten sind, ich tippte da noch auf Cellokasten. Kölner Philharmoniker, was soll das denn für ein Orchester sein? Zwischenruf: "Fragt sie doch mal, ob sie euch was vorspielt, ihr Nieten." L war es auch, die vorschlug, dass Sophiemarie sich beim Renovieren mit dem Hammer auf die Finger haut, damit sie nicht Cellospielen muss, aber am Ende reichte Rossinipuccini.
Manchmal ist es ja so gedacht, dass der Zuschauer schon am Anfang weiß, wer's war und dann den Ermittlern noch beim Ermitteln zusehen darf von oben, aber ich fürchte, das war hier nicht so gemeint. Nun verfügt ja nicht jeder Tatortzuschauer über die geballte Kompetenz, die uns an diesem Abend zur Verfügung stand - neun Tatort-Profis, quasi ein Kompetenzzentrum, interprofessionell zusammengesetzt (Kunstgeschichte, Sozialpädagogik, Jura, Physik...).
Sprüche wie: "Ohne Trachtengruppe" (ok, heute: Ohne Musik und Festbeleuchtung), "Wir gehn jetzt da rein", "Ne Achtunddreißiger?" und (bei jedem Anruf) "Was? Wo?" nehmen wir den Akteuren treffsicher aus dem Mund. Und natürlich drei Schläge vor der nächsten Eins: "Die meisten tödlichen Unfälle passieren ja im Haushalt". Was soll das denn? Kann das Mädchen ihrer Schwester nicht mal
mannhaft das Genick brechen? Die kaltherzige Ziege hat ja auch ihren waidwunden Wolf im Riss gelassen.
Nur die S fragte um 21.36 Uhr noch "Wie, ich dachte der ist mit der Anderen zusammen?"
M: "Ich wusste das alles fast schon, als ich am Bahnhof ausgestiegen bin, und da lief der schon zehn Minuten." Er war gegen halb neun mit sechs Tannenzäpfchen aus Köln angekommen und ließ sich unauffällig auf Stand bringen.
Rote Bäckchen, weißes Dreieck von Mund zu Nase, Himbeerzunge, und dann in der Gewalt des Räubers, an Nicolette Krebitz gefesselt. Der M weiß sofort: "Der Willi muss in die Kinderklinik wegen seim Scharlach". Stattdessen: Grab ausheben, um das Püppchen mit den Brillis zu holen.
Puh, Fall gelöst, nur: Was kommt dann?
Fazit:
Viel zu einfach.
Himmelseidank keine Gesellschaftskritik, einfach Krimi.
Aber dass sie die süße Maus vom Hotel nachher vergessen haben, das nehme ich schon übel.
Solche Frauen werden immer übersehen.
Der M arbeitet übrigens schon an den Excel-Sheets für die WM-Wette. Den Weltmeister wird er vorher schon berechnen nach Croissant, das habe irgendwas damit zu tun, wie oft einem der Reifen platzt, wenn man soundsooft mit hundert Kumpeln nach Spanien reist. Angstgegner werden "händisch berücksichtigt".
Ich werde wieder würfeln nach Herr Weber. Sechs für Null und eins bis fünf für die Zahl der Tore. Vorm Halbfinale lag ich damit bei der EM mal an dritter Stelle. Heikle Situation für eine stadtbekannte Fußballverächterin.